Zusammenfassung: In diesem Artikel gibt es Inhalte aus dem Vortrag zum Thema Ehrenamtliche Vormundschaft von Ruth Seyboldt. Der fachliche Input wird um Meinungen und Eindrücke aus den verschiedenen PFAD Organisationen ergänzt.
Warum beschäftigen wir uns mit dem Thema „Ehrenamtliche Vormundschaft“?
An diesem Wochenende haben sich wieder Mitglieder aus dem ganzen Bundesgebiet in Augsburg zum PFAD Ländergremium getroffen. Beim Ländergremium handelt es sich um ein Treffen aller Delegierter der Landesverbände und Landesgruppen im PFAD Verband. Wir nutzen das Wochenende, um uns gemeinsam über das Thema „Ehrenamtliche Vormundschaft“ weiterzubilden und auszutauschen.
Eine häufige Fragestellung ist, ob und wie Pflegeeltern die Vormundschaft für ihr Pflegekind übernehmen können? Was das bedeutet, hat uns Ruth Seyboldt, wissenschaftliche Referentin des Bundesforum Vormundschaft und Pflegschaft e.V. erklärt.
Zum Start in das Thema gibt es eine gemeinsame Blitzlichtrunde, um Erfahrungs- und Kenntnisstände der Teilnehmenden zu sammeln. Diese sind ganz unterschiedlich – entweder aus den persönlichen Lebensgeschichten oder den Beratungen von Pflegefamilien. Einige haben noch keine Berührungspunkte, andere überlegen, ob sie eine Übertragung des Sorgerechts anstreben sollen und ein weiterer Teil hat bereits langjährige Erfahrungen als Vormund:in oder Pfleger:in.
Was bedeuten Vormundschaft und Ergänzungspflegschaft?
Die Vormundschaft wird vom Familiengericht angeordnet, wenn die elterliche Sorge nicht ausgeübt werden kann. Die Rechtsgrundlage ist der § 1773 BGB. Das Kind, um das es geht, wird als Mündel bezeichnet. Potenzielle Konstellationen, bei denen eine Vormundschaft notwendig ist:
- unbegleitete Minderjährige flüchten nach Deutschland
- leibliche Eltern versterben
- das Familiengericht entzieht das Sorgerecht
§ 1788 ist die rechtliche Grundlage und der Ausgangspunkt für das Handeln des Vormunds, weil er die Rechte des Mündels beschreibt.
Neben der Vormundschaft gibt es die Ergänzungspflegschaft. Dabei handelt es sich um die Übernahme von genau unschriebenen Teilen der elterlichen Sorge (§ 1809 BGB) – hier heißt das Kind Pflegling.
Welche Aufgaben haben Vormünder?
§ 1790 BGB beschreibt die Pflichten des Vormundes. Vormünder:innen sind unabhängig und haben die Vormundschaft im Interesse des Mündels zu dessen Wohl zu führen. Hier kommt es unter den Teilnehmenden zu einem hitzigen Austausch, denn in der Theorie sind auch Amtsvormünder nicht weisungsgebunden. Hier sehen einige Teilnehmer:innen mögliche Interessenskonflikte, denn Amtsvormünder:innen ist Teil des Jugendamtes.
Jede:r Vormund:in ist verpflichtet, regelmäßige Berichte über seine/ihre Arbeit für das Amtsgericht zu schreiben, das seine/ihre Arbeit kontrolliert. Diese Berichte geben Auskunft über die persönliche Situation, Ziele und Wünsche des Mündels und die durchgeführten bzw. beabsichtigten Maßnahmen.
Im PFAD Verband sehen wir in der Praxis häufig die Herausforderungen, dass Kinder und Jugendliche mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Beteiligten sprechen müssen: Amtsvormund:in, Rechtspfleger:in, Kinderschutzbeauftragte:r, Mitarbeitende im PKD oder ASD usw. Kinder/Jugendliche, und auch viele Erwachsene, können dann gar nicht einordnen, wer von wo kommt und warum mit einem gesprochen wird. Leider sind nicht alle Beteiligten dafür sensibilisiert, wenn es um den Austausch mit Kindern und Jugendlichen geht, die traumatische Erfahrungen oder Bindungsstörungen haben.
Was für Vormundschaften gibt es überhaupt?
Es gibt vier verschiedene Arten der Vormundschaft, wobei Pflegeeltern unter die ehrenamtlichen Vormundschaften fallen.
- Amtsvormundschaften
- Vereinsvormundschaften
- Berufsvormundschaften
- Ehrenamtliche Vormundschaften
Bei den ehrenamtlichen Vormundschaften ist eine weitere Unterteilung möglich:
-
- Verwandtenvormundschaft
- Pflegeelternvormundschaft
- Vormundschaft durch Personen von außen
Amtsvormünder:innen haben eine maximale Fallzahl von 50 Mündeln, die sie möglichst monatlich persönlich kontaktieren sollen. In der Praxis stellt sich die Frage, wie dies aufgrund der personellen Engpässe in der Kinder- und Jugendhilfe überhaupt gewährleistet werden kann.
Welche Vorteile hat die Übernahme einer ehrenamtlichen Vormundschaft für Pflegeeltern? Wo sind die Grenzen?
In der Praxis zeigen sich positive wie auch negative Aspekte.
Positive Aspekte bei der Übernahme einer Vormundschaft können sein:
- Vereinfachung der Zusammenarbeit
- Sicherheit für das Kind
- Normalisierung für das Kind (die Entscheidungskultur liegt dann innerhalb der Familie, wie auch bei einer normalen Familie)
- Entlastung der Amtsvormundschaft
- Bei der vorzeitigen Beendigung eines Pflegeverhältnisses, können die Pflegeeltern ihr Mündel/Pflegekind weiterhin begleiten.
Leider zeigt sich auch, dass eine Vormundschaft bei den Pflegeeltern auch zu Herausforderungen führen kann.
- In Fällen, in denen es Konflikte zwischen Eltern und Pflegeeltern gibt, ist es angeraten einen (Amts-)Vormund als vermittelnde, neutrale Instanz beizubehalten.
- Es kann in Einzelfällen zu Interessenskonflikten aufgrund von Rollenüberschneidungen (als Pflegeeltern und Vormund:in) kommen.
Pflegeeltern, die die ehrenamtliche Vormundschaft bzw. eine Pflegschaft für ihr Pflegekind innehaben, müssen sich stets bewußt machen, in welcher Rolle sie gerade tätig werden, da die Rechte sich unterscheiden.
Wie wird ein Vormund überhaupt ausgewählt? Welche Kriterien gibt es?
§ 1779 BGB legt die Eignungskriterien für Vormünder:innen fest und räumt der Bestellung ehrenamtlicher Vormünder:innen Vorrang ein. Ein Kind oder ein:e Jugendliche:r soll den/die Vormund:in bekommen, die:der am besten für das Kind geeignet ist. Dabei kann das Mündel mitreden. Als Vormund:in muss man mit seiner Persönlichkeit sowie seinen Fähigkeiten in der Lage sein, die damit verbundene Verantwortung zu übernehmen. Ein:e Vormund:in muss kooperationsfähig sein, bspw. wenn es um die Zusammenarbeit mit den Eltern geht.
Insbesondere die zu sozialen Eltern gewordenen Pflegeeltern sind prinzipiell geeignet, die Vormundschaft für das auf Dauer bei ihnen lebende Kind zu übernehmen. Die Vormundschaft erfüllt am besten ihren Sinn, „wenn das Mündel erlebt, dass die Person , die es täglich erzieht, auch rechtlich befugt ist, es zu erziehen“ (Kammergericht Berlin, 2001).
Nach § 53 SGB VIII haben Jugendämter eine Begründungspflicht, wenn kein ehrenamtliche:r Vormund:in ausgewählt wird. Des Weiteren sind die Jugendämter grundsätzlich angehalten, einmal jährlich zu prüfen, ob eine ehrenamtliche Vormundschaft möglich ist (§ 57.4 SGB VIII).
Vormünder und Pfleger haben einen Anspruch auf Beratung und Unterstützung durch das Jugendamt (§ 53a SGB VIII) und das Amtsgericht (§ 1802 BGB). Mancherorts gibt es Kurse, die ehrenamtliche Vormünder:innen für ihre Aufgaben schulen.
Fragen zur Vormundschaft?
Sie haben noch Fragen? Melden Sie sich gerne bei uns. Wir unterstützen und beraten Pflegeeltern bei dem Thema.
Der Beitrag Ehrenamtliche Vormundschaft – Aufgaben, Grundlagen und Herausforderungen für Pflegeeltern erschien zuerst auf pfad-bv.de.