Unter dem Titel „Zukunft von Pflegefamilien: Chancen und Herausforderungen im Wandel der Gesellschaft“ lud der PFAD Bundesverband am 15.01.2025 wieder zum Neujahrsempfang nach Berlin ein.

Nachdem wir den Termin bewusst in eine Sitzungswoche des Bundestages gelegt hatten, machte uns die vorgezogene Wahl leider einen Strich durch die Rechnung. Die Sitzungswoche wurde verschoben und die eingeladenen Politiker*innen waren mit Wahlkampf in ihren Wahlbezirken beschäftigt. Das war letztlich aber nicht schlimm, denn vermutlich ändern sich die Zuständigkeiten nach der Wahl.

Also legten wir in diesem Jahr den Fokus darauf, unter den Partnerorganiationen, mit denen wir kooperieren, Unterstützung für unsere Positionen zu Verbesserungen in der Pflegekinderhilfe zu finden. So können wir gestärkt dann neu und gemeinsam an die Politik herantreten. Viele kamen unserer Einladung nach! Begrüßen durften wir Vertreter*innen folgender Organisationen:

  • Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen e.V.
  • Allianz für Pflegekinder
  • BOJE – Beratungs- und Ombudsstelle Kinder- und Jugendhilfe Brandenburg e.V.
  • Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter
  • Bundesnetzwerk Vormundschaft und Pflegschaft e.V.
  • Fachanwältinnen für Familienrecht, Kanzlei Marquardt, Wilhelm, Ivantis
  • Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen e.V.
  • Internationaler Sozialdienst
  • Kompetenzzentrum Pflegekinder e.V.
  • Moses Online
  • Paritätischer Wohlfahrtsverband e.V.
  • Senatsverwaltung Berlin, Adoptionsstelle
  • SOS Kinderdorf e.V.
  • Sozialdienst katholischer Frauen e.V.

Ausländische Kinder in Pflegefamilien

Vortrag von Ursula Rölke, ISD (rechts) | Foto: PFAD – Corinna Benecke

Als neues Thema haben wir Probleme ausländischer Kinder in Pflegefamilien aufgegriffen. Zu dieser sehr komplexen Thematik gab uns Ursula Rölke, Leiterin des Internationalen Sozialdienstes (ISD), einen fachlichen Überblick. Der ISD ist Lotse für Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe für Konstellationen mit Auslandsbezug.

Um solche Fälle zu klären, hat man mit vielen Beteiligten (leiblichen Eltern, ggf. Vormund, Jugendamt, Standesamt, Ausländerbehörde, Botschaft, …) zu tun und muss sich gut mit den formellen Zuständigkeiten und manchmal auch Besonderheiten in der Gesetzgebung der Herkunftsländer auskennen. So sind z.B. die Klärung von Passangelegenheiten oder die Beschaffung von Urkunden aus dem Heimatland (der Eltern) nicht selten schwierig.

In Deutschland geborene Pflegekinder ohne Pass

Eine wachsende Gruppe hier geborener Kinder von Migranten aus EU und Nicht-EU-Staaten wird – (voraussichtlich) dauerhaft und oft schon gleich nach der Geburt – in Pflegefamilien untergebracht. Konnten ihre Eltern ihre eigene Identität nicht ausreichend nachweisen, gilt auch für das Kind, dass die Identität nicht geklärt und somit die Namensführung nicht nachgewiesen ist. Sie erhalten dann keine Geburtsurkunde, nur einen Geburtenregisterauszug, mit dem eine sichere Aufenthaltserlaubnis aber schwierig zu bekommen ist. Sehr oft wird dann eine Duldung erteilt. Doch eine Duldung ist kein rechtmäßiger Aufenthaltstitel. Eine spätere Einbürgerung ist damit ausgeschlossen, da eine geklärte Identität hierfür die Voraussetzung ist.

Leider werden die Pflegeeltern bei Aufnahme solcher Kinder i.d.R. nicht darüber aufgeklärt, was dies für die Zukunft bedeuten kann. Zuerst trifft die Pflegefamilien, dass ihre Reisefreiheit mit dem Kind eingegrenzt ist. Doch wird das Kind älter, wird klar, dass es nicht die gleichen Rechte wie andere hat. Sein Aufenthalt in Deutschland ist u.U. nicht dauerhaft gesichert, eine Duldung oder ein Aufenthaltstitel müssen regelmäßig verlängert werden. Es gibt Schwierigkeiten bei der Einbürgerung.

Die Pflegeeltern erleben, dass sowohl in der Jugendhilfe, als auch bei den anderen zuständigen Behörden wenig Knowhow zu diesen speziellen Konstellationen vorhanden ist, dass die Jugendhilfe selbst meist keine Anstrengungen unternimmt, den Status des Kindes zu klären und sie diejenigen sind, die selbst etwas ins Rollen bringen müssen, dass wichtige Entscheidungen im Ermessen einzelner Beamter liegen und ausländische Botschaften u. U. weder Pflegeeltern noch Vormünder anerkennen, wenn die leiblichen Eltern selbst nicht tätig werden (können). Besonders die aktuelle politische Situation lässt die Familien um die Zukunft ihrer komplett in Deutschland sozialisierten Kinder fürchten.

Kooperation mit der Facebook-Gruppe „Pflegekinder aus EU-Staaten & Drittländern

Zu diesem wichtigen Thema nahm unsere Vorsitzende Ulrike Schulz Kontakt mit einer Gruppe Betroffener auf, die bereits durch eigene Erfahrungen über große Kompetenzen verfügen. Sie schlossen sich zusammen und bieten auf Facebook Erfahrungsaustausch und Peer-to-Peer-Beratung an.

von links: Thomas Pleier, Ulrike Schulz, Omay Hafner-Pleier, Linda Siegler, Benno Korall | Foto: PFAD – Corinna Benecke

Wir durften die drei Administrator*innen Omay Hafner-Pleier, Benno Korall und Linda Siegler persönlich in Berlin begrüßen und werden auch künftig weiter zusammenarbeiten. Die Initiatorin Frau Hafner-Pleier erzählte von ihren bisherigen Aktivitäten und Erfahrungen. Mit ihrer Hilfe war es uns auch möglich, authentische Fälle von Kindern aus unterschiedlichen Herkunftsstaaten vorzustellen. Vielen Dank an die Pflegepersonen, die uns dazu ein Handy-Video bzw. ihre Geschichte zugesandt haben! Die Schilderungen haben großen Eindruck bei allen Anwesenden hinterlassen und die Dringlichkeit verbesserter Hilfen verdeutlicht.

Das Highlight unserer Veranstaltung war das uns von einer betroffenen, in Deutschland geborenen 16-Jährigen zugesandte, berührende Video. Sie schildert darin eindrücklich, wie sich die permanente Unsicherheit negativ auf ihre Psyche auswirkt. Die Aussicht, nach 13 Jahren in ihrer deutschen Pflegefamilie noch immer keinen sicheren Aufenthaltsstatus zu haben, ohne Pass bzw. Staatsangehörigkeit nicht studieren, den Führerschein machen, heiraten oder erben zu können, belastet sie immens. Ebenso wie der Hass, der gegen „Menschen wie sie“ verbreitet wird. Auch musste sie erleben, dass ein Vormund gegen ihre Interessen arbeitete. Die junge Frau möchte in Deutschland bleiben dürfen, die gleichen Rechte wie andere haben und ihre Träume verwirklichen können.

Wir planen, auf Bundesebene gemeinsam mit den Betroffenenvertreter*innen und unseren Partnern einen multiprofessionellen Arbeitskreis zu dieser Problematik zusammenzustellen, der etwas bewegt zur Verbesserung der Situation betroffener Kinder in Pflegefamilien.

An drei weiteren Themenbereichen arbeiten wir schon länger:

Rahmenbedingungen in der Bereitschaftspflege

Bereitschaftspflege stellt einen besonderen Bereich dar, für den andere Rahmenbedingungen gelten als für die Vollzeitpflege. Sie zählt zu den anspruchsvollsten Aufgaben in der Pflegekinderhilfe und wird doch im SGB VIII nicht eigens geregelt. Die persönlichen und fachlichen Anforderungen an Bereitschaftspflegepersonen sind hoch, bei gleichzeitig schlechter sozialer Absicherung. Dies ist bedenklich, da Bereitschaftspflege kaum mit einer gleichzeitigen Erwerbstätigkeit vereinbar ist. Dies wirkt sich auf die Kranken- und Pflegeversicherung, aber vor allem auch auf die Rente aus.

Aktuell hat Hamburg erfreulicherweise eine Vorreiterrolle eingenommen und die Leistungen für Bereitschaftspflegepersonen deutlich angehoben.

Gespräche über Bereitschaftspflege Foto: PFAD – Corinna Benecke

Unsere Vorstandsmitglieder Christiane Kehl und Karen Dabels berichten, dass es bei den informellen Gesprächen rund um dieses Thema beim Neujahrsempfang auch um den Kontaktabbruch nach dem Umzug des Pflegekindes in eine Dauerpflegestelle ging. Konsens war, dass für die Kinder ein sanfter Übergang mit entsprechend guter Kennenlernphase wichtig wäre. Besonders, wenn die Kinder länger in der Bereitschaftspflegefamilie untergebracht waren, sollte der Kontakt nicht gleich ganz abbrechen, sondern langsam ausschleichen, damit die Kinder nicht wieder einen abrupten Verlust erleiden.

Alterssicherung von Pflegepersonen + Elterngeld für Pflegeeltern

Austausch zu den Themen Elterngeld und Rente | Foto: PFAD – Corinna Benecke

Die intensiven Diskussionen zu unseren beiden weiteren wichtigen Themen wurden begleitet durch unsere beiden Fachreferentinnen Dr. Carmen Thiele und Luise Essen sowie den stellvertretenden Vorsitzenden Bernd Junker. Sie berichten, dass sich bei der thematischen Vertiefung der PFAD Forderungen für ein „Elterngeld für Pflegeeltern“ und eine „Verbesserung der Altersvorsorge für Pflegeeltern“ die teilnehmenden Verbände für eine Unterstützung unserer Ziele eingesetzt haben.

Gemeinsam will man ein Papier erstellen, das ein Elterngeld für Pflegeeltern als bundesweite einheitliche Leistung fordert, und dies an die Politik herantragen. Auch für die Verbesserung der Altersvorsorge für Pflegeeltern wollen die teilnehmenden Verbände sich einsetzen und mögliche neue, wirklich angemessene Lösungen diskutieren.

Weitere Impressionen vom PFAD Neujahrsempfang 2025 in Berlin

Ulrike Schulz

Autorin: Ulrike Schulz
Vorsitzende des PFAD Bundesvorstandes

Erstveröffentlichung des Artikels in PFAD Fachzeitschrift 1/2025

Der Beitrag PFAD Neujahrsempfang 2025 erschien zuerst auf pfad-bv.de.

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