Von der Idee zur Ortsgruppe – wie anfangen?
Selbsthilfe bringt Menschen in ähnlichen Lebenslagen zusammen, um sich gegenseitig zu unterstützen. Selbsthilfegruppen können eine wertvolle Ergänzung zu professionellen Unterstützungsangeboten in der Jugendhilfe sein. Sie bieten Adoptiv- und Pflegefamilien die Möglichkeit, in einem geschützten Rahmen über ihre Anliegen und Probleme zu sprechen, Unterstützung zu finden und gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Indem sie sich gegenseitig helfen, können Familien gestärkt und selbstbewusst in ihre Zukunft blicken.
Welche Vorteile Selbsthilfe und eine organisierte Gruppe mit sich bringen, haben wir auf einer Seite über die Unterstützung durch PFAD bei der Gründung neuer Selbsthilfegruppen im Detail beschrieben.
Welche Arten von Selbsthilfegruppen gibt es?
Es gibt verschiedene Arten von Selbsthilfegruppen, die sich nach den spezifischen Bedürfnissen und Herausforderungen von Adoptiv- und Pflegefamilien richten. Gruppen können einen starken Ortsbezug und ein Schwerpunktthema haben. Schwerpunktthemen können zum Beispiel sein
- Kinder mit besonderen Bedürfnissen aufgrund von FASD oder anderen Behinderungen
- transkulturelle Adoptionen oder Pflegekinder aus anderen Staaten
- Bereitschaftspflege
- Verwandtenpflege
Dabei richten sich manche Gruppen explizit nur an Pflege- oder Adoptivfamilien. Viele vereinen jedoch alle Familienformen zusammen. Darüber hinaus gibt es Gruppen, die sich auch an die Adoptiv- und Pflegekinder, Geschwisterkinder und Careleaver richten.
Selbsthilfegruppen können eigenständig und unabhängig agieren oder auch als Ortsgruppe an PFAD angegliedert sein. Dies bietet verschiedene Vorteile: Durch die Zugehörigkeit zum PFAD Verband erhält die Gruppe einen besseren Zugang zu Fachinformationen, Netzwerk- und Dialogformaten mit anderen Gruppen und profitiert von der positiven Reputation des Bundesverbandes.
Welche Formen haben Selbsthilfegruppen?
Die Aktivitäten von Selbsthilfegruppen können vielfältig und ihre Zielsetzungen unterschiedlich ausgeprägt sein. Mögliche Handlungsfelder sind:

- Hilfe füreinander
Die Selbsthilfegruppe im engeren Sinne fokussiert sich auf die Hilfe und Unterstützung füreinander. Die kann in Form von regelmäßigen Gruppentreffen mit Stammtisch- oder Stuhlkreis-Charakter stattfinden. Digital organisieren sich manche Gruppen auch in Messenger- oder Social Network-Gruppen.
- Unterstützungsangebote
Unterstützungsangebote für andere Gleichbetroffene können beispielsweise Peer-Beratungsmodelle, die Zusammenstellung eines Willkommenspakets für neue Adoptiv- und Pflegefamilien, Gruppensupervision oder Entlastungsangebote wie z.B. eine Babysitter-Vermittlung umfassen.
- Gemeinsames Lernen
Beim gemeinsamen Lernen geht es um den Aufbau von Wissen, z.B. durch Fortbildungen mit externen Referent*innen, durch die Organisation von Fachtagungen und angeleitete Lesekreise.
- Begegnungsangebote
Das Zusammengehörigkeitsgefühl, Geselligkeit und gemeinsame Aktivitäten stehen im Zentrum von Begegnungsangeboten für die ganze Familie. Beispiele sind ein Picknick im Park, Ausflüge mit dem Rad, der Besuch von Tier- und Freizeitparks, Sommer- und Winterfeste. Besonders auch die Kinder profitieren davon, andere Kinder in ähnlicher Lebenssituation kennenzulernen.
- Lobbying
Selbstorganisierte Zusammenschlüsse können sich auch der aktiven Öffentlichkeitsarbeit und Interessenvertretung annehmen. Hier geht es beispielsweise darum, Wünsche und Erkenntnisse der Gruppe an das Jugendamt heranzutragen. Ebenso können sie helfen, neue Adoptiv- und Pflegefamilien zu gewinnen oder die Öffentlichkeit für bestimmte Themen zu sensibilisieren.
Was tun, wenn keine Selbsthilfegruppe in der Nähe ist?
Ist keine Selbsthilfegruppe speziell für Adoptiv- und Pflegefamilien in unmittelbarer Nähe, können Gruppen mit verwandten Themen einen Austausch bieten. Beispielsweise gibt es Gruppen für Eltern mit pflegebedürftigen Kindern, von FASD betroffenen Kindern, Alleinerziehende und viele mehr. Auch die Frühen Hilfen sowie Angebote von Wohlfahrtsverbänden oder Nachbarschaftsinitiativen können Raum für Austausch mit anderen Eltern geben, um nur einige Beispiele zu nennen. Auch digital gibt es Vernetzungsangebote, z.B. Facebook-Gruppen, in denen mit anderen Eltern diskutiert werden kann. Mit Fragen speziell zu Adoption und Pflegeverhältnissen kann man sich an den PFAD Bundesverband wenden – anonym und unter Wahrung des Datenschutzes.
Darüber hinaus ist es eine Option, selbst eine regionale Selbsthilfegruppe zu gründen.
Wie anfangen?
Die Gründung einer Selbsthilfegruppe kann für Adoptiv- und Pflegeeltern eine Herausforderung darstellen, aber es gibt viele Ressourcen und Unterstützungsmöglichkeiten, die den Prozess erleichtern können. Ein Überblick über mögliche erste Schritte soll den Einstieg vereinfachen:

Zu Beginn ist es sinnvoll, sich der persönlichen Motivation klarzuwerden: Was erhoffe ich mir von einer regionalen Vernetzung mit anderen Pflege- und Adoptiveltern? Welche Aktivitäten finde ich erstrebenswert? Ganz zu Beginn sollten sich Gruppengründer*innen auf die Bausteine konzentrieren, die sie besonders anspornen, um ihre Motivation auch bei ersten Hürden aufrecht zu erhalten. Kommen später weitere Gruppenmitglieder dazu, die noch weitere Interessen haben und sich dazu engagieren möchten, können die Aktivitäten der Gruppe ausgeweitet werden.
Um Familien mit ähnlichen Interessen zu finden, bietet sich in einem ersten Schritt das unmittelbare Umfeld an. Gibt es bereits Kontakte zu Adoptiv- und Pflegeeltern aus Schulungen des Jugendamtes oder Trägers oder aus dem Netzwerk des eigenen Kindes? Kennen diese wiederum weitere Familien? Gibt es in benachbarten Städten und Gemeinden bereits Gruppen? Dann kann es hilfreich sein, den Austausch mit den Organisator*innen dieser Gruppen zu suchen. Sie können Tipps aus ihren Erfahrungen mit dem Aufbau ihrer Gruppe geben. Vielleicht bietet es sich auch an, zu bestimmten Themen zusammenzuarbeiten. Gegebenenfalls haben sie auch Kontakte zu weiteren Adoptiv- und Pflegefamilien aus dem geplanten Einzugsgebiet.
Sehr hilfreich ist es, frühzeitig in den Austausch mit der lokalen Selbsthilfe-Kontaktstelle zu gehen. Zu den Aufgaben von Selbsthilfe-Kontaktstellen gehört es,
- zu allen Fragen der Selbsthilfe zu beraten,
- Interessierte an bestehende Gruppen zu vermitteln oder
- dort, wo noch keine Gruppen bestehen, bei der Gründung und Startphase zu helfen,
- Kontakte zwischen unterschiedlichen Gruppen, aber auch zu Ansprechpartner*innen in Politik und Verwaltung herzustellen,
- organisatorische Hilfen zu geben, Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen und wo erforderlich, bei Problemen und Konflikten zu vermitteln.
Über Selbsthilfe-Kontaktstellen lässt sich auch klären, ob und welche Fördermittel für die Gruppe beantragt werden können.
Adressen aller Selbsthilfekontaktstellen im Bundesgebiet gibt es bei NAKOS – Nationale Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen.
Der PFAD Bundesverband und die PFAD Landesverbände unterstützen Pflege- und Adoptiveltern beim Aufbau von Ortsgruppen und -vereinen mit Beratung, Vernetzung und praktischen Hilfen wie einem kostengünstigen Website-Baukasten. Weitere Informationen gibt es auf der Seite zur Unterstützung von PFAD bei der Gründung neuer Selbsthilfegruppen. Darüber hinaus wird es auf unserem Blog regelmäßig weitere Tipps zum Thema geben. Nehmen Sie jederzeit Kontakt mit uns auf.
§ 4a SGB VIII verpflichtet die Träger der öffentlichen Jugendhilfe zwar dazu, selbstorganisierte Zusammenschlüsse zur Selbstvertretung (z.B. von Pflegeeltern) anzuregen, zu fördern und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Daraus lässt sich jedoch kein subjektives Recht auf Förderung jeder Gruppe ableiten. Deshalb sollte von Anfang an der Kontakt zur Leitung und dem Pflegekinderdienst im Jugendamt aufgenommen und eine konstruktive Kooperation gepflegt werden. Werden die Fachkräfte in die Überlegungen und Vorhaben einbezogen, kann damit eine wohlwollende Unterstützung und vertrauensvolle Zusammenarbeit erreicht werden.
Um die neue Gruppe bekannt zu machen, braucht sie einen Namen. Die grundlegenden Kommunikationsmittel sind zunächst:
- Eine Website mit einer Beschreibung des Vorhabens, Kontaktdaten und Terminankündigungen
- Ein digitaler und gedruckter Flyer, der kurz und knapp das Anliegen der Gruppe beschreibt, zur Teilnahme einlädt und auf die Website verweist
Bei der Namensfindung ebenso wie mit einem Website-Baukasten hilft PFAD gerne weiter. Für die einfache Erstellung von Grafiken eignet sich besonders das Tool Canva, welches in der Basis-Version kostenlos ist.
Flyer können in Rücksprache mit den jeweiligen Verantwortlichen beispielsweise an folgenden Stellen ausgelegt oder gepostet werden:
- Jugendamt und Freie Träger der Jugendhilfe
- Arztpraxen (v.a. Kinderärzte, Frauenärzte)
- Kindergärten
- Gemeindeverwaltungen
- Kinderschutzbund, Mehrgenerationenhaus und ähnliche Stellen
- Lokale und themenspezifische Facebook- und Messenger-Gruppen
Außerdem empfiehlt es sich, die Gruppe in die Datenbank der lokalen Selbsthilfe-Kontaktstelle aufnehmen zu lassen und auch so digital auffindbar zu werden. Sie können zudem mit Presseartikeln über ihre Pläne und Aktivitäten und eigenen Kommunikationskanälen wie Newslettern unterstützen.
Ein erstes Treffen kann zum gegenseitigen Kennenlernen, der Verständigung über Anliegen und Erwartungen sowie zur Motivation zur Mitarbeit genutzt werden. Der erste Abend sollte nicht mit Informationen überladen werden. Viel wichtiger ist, dass die Interessierten sich mit ihren Fragen und Themen verstanden und akzeptiert fühlen und eine angenehme und offene Atmosphäre entsteht.
Der Zeitpunkt sollte möglichst für alle günstig sein und frühzeitig kommuniziert werden. Beim Ort sollte beachtet werden, dass er ausreichend Privatsphäre bietet und für alle Interessent*innen gut zu erreichen ist. Das kann das Nebenzimmer eines Gasthauses, ein Raum in einem Pfarrzentrum, im Bürgerhaus oder der Selbsthilfe-Kontaktstelle sein. Generell kann die Selbsthilfe-Kontaktstelle bei der Vermittlung von Räumen und der Anleitung eines ersten Treffens unterstützen.
Anregungen und Tipps zur Ausgestaltung von Gruppentreffen folgen demnächst hier auf dem Blog.
Autorin: Petra Kalwa
Petra Kalwa ist Pflegemutter einer dreijährigen Tochter. Im September 2024 gründete sie die Ortsgruppe Leverkusener Herzenskinder, um den Austausch und die Gemeinschaft der Familien untereinander zu stärken.
Der Beitrag Im Fokus: Ortsgruppen – Teil 1: Von der Idee zur Ortsgruppe erschien zuerst auf pfad-bv.de.